Apotheker Stefan Gänsler mit seinem Team: Ream Nao, Anita Issel und Diana Goldmaier (v. li) sind die Gesichter der Apotheke "Zur Brücke" in der Bautzener Neustadt

Apotheker Stefan Gänsler mit seinem Team: Ream Nao, Anita Issel und Diana Goldmaier (v. li) sind die Gesichter der Apotheke "Zur Brücke" in der Bautzener Neustadt

Wie sich eine Bautzener Apotheke im Wandel der Branche behauptet

von Miriam Schönbach

Bautzen. Verblasst hängt das Werbeblatt unter Glas über dem Schreibtisch von Stefan Gänsler. „Neueröffnung der Apotheke zur Brücke am 4. Oktober 1995" steht dort in roter Schrift. Der Apotheker aus der Bautzener Neustadt hält die Erinnerung in der Hand. Drei Jahrzehnte ist es her, dass der gebürtige Westfale wohl sein größtes berufliches Abenteuer ganz im Osten Deutschlands begann. Manchmal braucht es nur fünf Minuten Mut, um das Leben zu verändern.

Eine Bauchentscheidung

Für Stefan Gänsler ist es der Moment, als er 1995 auf der Autobahn Richtung Osten fährt, die Hügel der Oberlausitz vor sich, und denkt: "Boah, schön hier." Wenige Minuten später fällt die Entscheidung, Bautzen sollte sein Ort werden. "Ich hatte über eine Firma eine sogenannte schlüsselfertige Apotheke angeboten bekommen. Das war eine richtige Bauch-Entscheidung. Wenn du über Dinge zu lange nachdenkst, wirst du immer viele Gründe finden, es nicht zu tun", sagt der Pharmazeut.
Der Osten Deutschlands ist dem Sauerländer keineswegs unbekannt, die Mutter kam aus Dresden, der Vater hatte sein Abitur in Erfurt gemacht. Noch vor dem Mauerbau flohen sie in den Westen, ihr Sohn sollte im Sauerland aufwachsen mit den Erzählungen aus dem Land der Großeltern. Ab den 1980er-Jahren begleitet der Heranwachsende seinen Vater zu den Besuchen bei den Verwandten, vielleicht entscheidet er sich auch deshalb nach dem Zivildienst und der Ausbildung zum Pharmazeutisch-technischen Assistenten für ein Pharmazie-Studium in Berlin-West.
"Den 9. November 1989", sagt Stefan Gänsler und lehnt sich zurück, "den werd' ich mein Leben lang nicht vergessen." Damals ist er im zweiten Semester, am nächsten Tag steht eine große Physik-Klausur an. Nach dem Lernen bei Kommilitonen fährt er nach Hause Richtung Kreuzberg. Dabei fällt ihm ungewöhnlich viel Bewegung an der Grenze auf, er macht einen Umweg. „Dann war ich tatsächlich einer der ersten, die unter dem Brandenburger Tor standen. Irgendwann steigen wir auf die Mauer. Das war so ein Moment, den kriegst du nie wieder." Die Physik-Klausur am nächsten Tag wird trotzdem geschrieben - und sechs Jahre später rollt der Umzug nach Bautzen.
"Ich habe mich für die Selbstständigkeit hier entschieden", sagt der 61-Jährige. Er macht eine kurze Pause und wird nachdenklich. "Das ist der große Unterschied. Früher sind quasi 85 Prozent meines Jahrgangs in die Apotheke gegangen, nur 15 Prozent in Verwaltung, Industrie oder Forschung. Heute hat sich das komplett gedreht: 85 Prozent gehen überall hin, nur nicht in die Apotheke. Das ist eines der großen Probleme, die wir in unserem Beruf haben", sagt Gänsler.

Apotheke wächst und wird digital

Die ersten Jahre in der neu gegründeten Apotheke „Zur Brücke" sind arbeitsreich. Der Wahl-Bautzener fängt mit zwei Mitarbeiterinnen an. 2004 folgt der Umzug von der Schliebenstraße 2 in den einstigen Schlecker-Markt am heutigen . Standort, 2006 und 2008 kommen Filialen hinzu, darunter auch Zittaus älteste Apotheke. Die übergibt er 2023 nach langer Suche an seinen Mitarbeiter Omar Khayyal. Dessen Wurzeln liegen in Palästina.
Das ist kein Einzelfall, denn auch in Gänslers Apotheke in Bautzen ist das Team international. Es kommt aus Ägypten, Syrien, Kambodscha, Ungarn, demnächst vielleicht noch jemand aus der Ukraine. "Wir sprechen alles außer Deutsch", sagt Stefan Gänsler lachend und wird ernst. Denn es zeigt auch, in der Branche gibt es einen Mangel an Nachwuchs aus dem eigenen Land.
Diese Sorge steht in enger Verbindung mit einem anderen Trend: Die Zahl der Apotheken in Deutschland hat laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände erneut ein Rekordtief erreicht. Zum Ende des Jahres 2024 gab es nur nosh 17.041 Apotheken und damit 530 weniger als ein Jahr zuvor (17.571). Im Vergleich zu den Vorjahren hat sich der Rückgang beschleunigt: 2022 schlossen 393 Apotheken, 2023 waren es 497. "Wir haben ein Apothekensterben", sagt auch Stefan Gänsler.
Doch der zweifache Vater sieht darin mehr: "Wir stecken mitten in einem Strukturwandel im Handel. Die Leute kaufen im Internet ein, sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes. Wir sehen nicht mehr, was wir haben, nur das, was uns fehlt", sagt er und zieht für Bautzen den Vergleich mit vielen westdeutschen Städten. "Schaut euch dort den Einzelhandelsmix an - ein Trauerspiel. Innenstädte sterben aus, Gastronomie weit unter unserem Angebot hier, kulturell viel weniger. In Bautzen haben wir einen Mix, der mich stolz macht", sagt er. Doch Vogel-Strauß-Politik ist nichts für Stefan Gänsler, stattdessen gilt es auch in der Branche immer wieder neue Geschäftsmodelle zu, entwickeln. So entstand schon 2009 die Idee zur Internetapotheke, ein Großhandel wurde aufgebaut. Und seit einem Jahr gibt es eine "Zur Brücke-Apotheken-App", mit der die Kunden rund um die Uhr Medikamente beim Apotheker vor Ort bestellen können - mit Rezeptübermittlung per Foto, Bestellmöglichkeiten und Chat mit den Apothekern. "Karte dranhalten" geht auch bei den Pharmazie-Spezialisten vor Ort und nicht nur bei Günter Jauch in der größten Online-Versandapotheke.
Aber kann man so dem wachsenden Druck auf klassische Apotheken Paroli bieten? "Sicher nicht, aber wir können empathisch sein. Menschen, die in die Apotheke kommen, sind krank. Sie haben eine sehr feine Antenne", sagt der Chef von sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auch Notdienst am Heiligabend und anderen Feiertagen machen. Und vielleicht ist das auch das Rezept für die nächsten Jahre in der Apotheke "Zur Brücke" in Bautzen.

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